Ein Versuch im Schlamm zu schwimmen
Spoken word performance, October 2019, East Side Gallery
1.
Fangen wir an
Hier, jetzt .
Um hierhin zu gelangen liefen wir entlang
Derjenigen die stehen, uns wahrscheinlich im Weg stehen,
Bei ihrem Versuch sichtbar zu machen das
“ich war hier, jetzt, vor dem berühmten Kuss”
Wir bückten uns, um nicht durchs Bild zu laufen, uns entschuldigend,
Denn es ist vielleicht das einzige, was sie sehen werden von diesem Berlin,
ihr Foto vor dem berühmten Kuss.
Unser Weg hierhin entlang der Menschen, die einem Begehren folgen, sowie wir ständig einem Begehren folgen, nämlich zu beweisen unsere Anwesenheit vor dieser Ruine.
Nein, wir möchten kein Stückchen kaufen.
Tausendfach inflationär verteilt auf diesem Planeten,
Wie das Holz des angeblichen Kreuzes.
Stücke von denen erzählt wird, sie hätten eine Symphonie gebildet, als sie rausgeschlagen wurden,
Mit verschieden Werkzeugen,
Unterschiedlich groß, unterschiedlich laut,
Ein Traum von Freiheit damals im Schnee.
Wasser, dort. Mercedes Benz dort.
Der berühmte Kuss.
Wasser dort, Einkaufszentrum dort,
Davor einst Panzersperren, hier drunter einst Sand, dadrunter Mienen, davor Schäferhunde. Und dann geschah es plötzlich über Nacht.
Ruinen, schön bemalt, beschützt und restauriert, verrückt, bewegt für die Freiheit.
2.
Was denke ich, was ihr denkt, dass ich denke, was ich als nächstes tun werde? Ich frage euch, die täglich Entscheidungen trefft,
Hier, vor diesen Ruinen:
Sollten wir einmal gemeinsam ein Verbrechen begehen,
Vielleicht sähe es so aus, wir trügen an Filme angelehnte Masken, Wir wäre schnell, wir wären organisiert,
Wir glaubten gemeinsam nicht mehr an sowas wie ein System, Sagen wir es gäbe dieses Gefühl von wir, und die Welt soll Welt sein, Wie diese ersten Stunden wenn man verliebt ist,
Da wo man auch ein Gefühl von für immer spürt, kurz, Sagen wir das sogenannte System bröckle so sehr, Dass es den Glauben möglich mache,
An ein wir,
Sagen wir ein Bankraub,
In der Vorstellung läuft es in Zeitlupe mit vielen Close-Ups,
Nur dass wir doch erwischt würden,
Dann getrennt, dann verhört .
Und dann mit folgenden Möglichkeiten konfrontiert:
Eine von uns beiden gesteht, diese Person kommt frei, die andere wird für zehn Jahre eingesperrt. Oder
Wir beide gestehen, jede von uns wird nur fünf Jahre eingesperrt.
Oder
Wir beide schweigen, wir sitzen jeweils nur ein Jahr.
Wie würden sie sich entscheiden?
Wird der Mensch den Menschen immer verraten?
Was denke ich, was ihr denkt, dass ich denke, was ich als nächstes tun werde?
Das ist der alltägliche kalte Krieg.
3.
Bedeutet Freiheit ein politisches Leben zu führen?
Vielleicht haben wir höchstens noch fünf Jahre, um zu weinen.
Und ich frage mich:
Kann ich von mir absehen?
Den Satz den ich immer und immer wieder lese, wenn ich aus der kalten Dusche rauskomme, auf der Postkarte, die es umsonst mitzunehmen gab, mit der modernen Schrift, einfach schwarz auf weiß- sieh von dir ab!
Einst ging es um Zeit und darum dass sich durch Ruinen der Sinn in Materie auflöst
und darum, dass Architektur geologische Zeit in menschliche verwandelt
und darum dass Pathologie eine Erfindung der Wirtschaft ist
und nicht entlohnte Arbeit nicht als Arbeit gilt
und darum wie psychoanalyse ein Konzept der katholischen Kirche ist.
Einst waren wir glücklich darüber, das alles erkannt zu haben und wir waren traurig darüber, das alles erkannt zu haben.
Und wir tranken Wein und fühlten uns so Berlin.
Und wenn wir noch fünf Jahre haben?
Was ist das mit der Gegenwart und dir?
Mit deiner Sucht zu Süchten zu neigen?
Mit deiner Angst Mutig zu sein, mit deinem Mut ängstlich zu sein?
Wo endet der Wunsch nach Befreiung, also frei zu sein von Unterdrückung, wo beginnt der Wunsch nach Freiheit?
3.
Frei etwas zu wagen
Frei ich selbst zu sein
Immer und UBER-all
Frei im Scheinwerferlicht zu stehen Frei styles zu genießen in jeder Größe Frei sie er oder sie zu sein
Frei ich selbst zu sein, immer und
Uber-All - jetzt auch hier in Berlin
Frei in jeder Form wunderschön zu sein
Frei all die Marken zu genießen, die ich Liebe Frei Tommy zu wählen oder Calvin
Immer und UBER-All , jetzt auch hier.
4.
Es gibt das wonach wir uns alle sehnen, es gibt sie irgendwo diese Idee,
Nachts um drei, wenn der schlaf nicht kommt,
Morgens um sechs wenn die Selbstbestimmung sagt es ist zeit für dich für uns für mich, Was auch immer dies bedeutet,
Zu handeln, zu optimieren, besser besser immer weiter zu machen,
Hinein in das Gefühl einer Freiheit,
Dieses wort, welches nur eines bedeuten kann,
Freiheit= keine angst,
Ein Satz der nicht von mir kommt,
Sin Satz den Nina Simone sagt, sie wird nämlich gefragt, “Was ist das für dich, freiheit?”
Sie lächelt in die Kamera, sie antwortet schelmisch, Schreit auf innerlich den interviewer auslachens,
“Was Freiheit für mich ist? Sag du es mir! Es ist ein Gefühl” , sagt sie,
“Ein Gefühl. Es ist genau so wie verliebt zu sein. Wie willst du jemandem erklären, der nie verliebt ar wie es sich anfühlt?”
Sie versucht es wieder zu beschreiben, sagt, es gab Momente, da habe sie sie gespürt,
“Und wenn es passiert, wenn das Gefühl von Freiheit wirklich...”
Und dann springt sie auf,
“Ich sag dir was Freiheit für mich ist ...keine angst zu haben. Wirklich und wahrhaftig keine Angst .”
5.
Wasser dort,
Und was wir haben ist der Schlamm,
Die Ambivalenz,
Noch ist der Himmel nicht über uns herabgestürzt,
Vielleicht haben wir noch fünf Jahre, um zu weinen,
Also lasst uns die Ruinen bewohnen, unser kollektives Zuhause,
Ein paradoxes Überleben in der Unruhe, in der Kontamination.
Wenn Mensch zu sein bedeutet unsere Sterblichkeit in Geschichte umzuwandeln, Was bedeutet Spuren hinterlassen zu können,
Dann ist Wasser das unmenschlichste,
Dann ist Wasser das Gegenteil von Ruinen,
Es erlaubt nämlich keine Inschrift,
Hier also Ruinen,
Hier eine Freiheit,
Und dort das Meer.